Für Ärzte und Therapeuten
Zöliakie
Zöliakie - eine Autoimmunreaktion
Die Zöliakie basiert auf einer Unverträglichkeitsreaktion gegen Bestandteile des Glutens, die sich zu einer Autoimmunreaktion mit chronisch entzündeter Darmschleimhaut ausweitet. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung tragen eine genetische Prädisposition für Zöliakie in sich. Ob die Erkrankung ausbricht, hängt von mehreren Faktoren ab - eine Grundvoraussetzung ist ein durchlässiges Darm-Epithel. Die Zöliakie lässt sich über spezifische Antikörper im Stuhl oder Blut nachweisen. Werden die Möglichkeiten des diagnostischen Screenings nicht ausgenutzt, bleibt die Zöliakie weit unterdiagnostiziert.(1,2)
Gluten ist ein Eiweißgemisch in verschiedenen Getreidesorten, das aus Prolaminen und Glutelinen besteht. Bei der Zöliakie lösen die Prolamine die Erkrankung aus. Je nach Getreidesorte tragen die Prolamine unterschiedliche Namen, da sie sich leicht voneinander unterscheiden:
- Weizen: Gliadin
- Dinkel und Grünkern: Gamma-Gliadine
- Roggen: Saeccalin
- Gerste: Hordein
- Hafer: Avenin
Pathogenese der Zöliakie
Die Prolamine wie das Gliadin im Weizen können erst dann eine Zöliakie auslösen, wenn sie in die untere Schicht der Dünndarmschleimhaut - die Lamina propria – vordringen. Erst dort kommt es zur entscheidenden Immunaktivierung. Ein Leaky Gut ist somit ein erster Schritt in der Pathogenese der Zöliakie.
In der Lamina propria müssen anschließend zwei Bedingungen erfüllt sein:
- Die Antigen-präsentierenden Zellen bilden bestimmte Moleküle auf ihrer Oberfläche, für die eine genetische Prädisposition vorliegen muss.
- Das Enzym Transglutaminase reagiert mit dem eingedrungenen Gliadin und aktiviert es dadurch. Zum Teil bleibt ein Komplex aus Gliadin und Transglutaminase bestehen.
Trifft beides zu, binden die Antigen-präsentierenden Zellen das aktivierte Gliadin oder den Gliadin-Transglutaminase-Komplex über die Moleküle auf ihrer Oberfläche.
Anschließend präsentieren die Immunzellen das gebundene Gliadin oder den Gliadin-Transglutaminase-Komplex den intestinalen T-Zellen. Das Immunsystem produziert daraufhin Anti-Gliadin- und Anti-Transglutaminase-Antikörper, gleichzeitig werden pro-inflammatorische Zytokine freigesetzt.
Antikörper-Nachweis
Die Anti-Gliadin- und Anti-Transglutaminase-Antikörper können im Blut (Vollblut oder Serum) und im Stuhl nachgewiesen werden.
Wichtig: Die Antikörper lassen sich nur dann verlässlich bestimmen, wenn der Patient oder die Patienten innerhalb der letzten drei Wochen Gluten zu sich genommen hat.
Formen der Zöliakie
Bei der aktiven Zöliakie rufen bereits Spuren glutenhaltiger Nahrungsmittel akute abdominale Symptome hervor. Die Zöliakie entwickelt sich früh, oft schon einige Monate nach dem Abstillen. Typisch sind Malabsorptionssymptome: chronischer Durchfall, Wachstumsstörung, Appetitlosigkeit, Übelkeit und aufgeblähter Bauch. Extraintestinale Symptome wie Leberwerterhöhungen, Depressionen, gynäkologische Probleme und Osteoporose nehmen allerdings zu.
Bei der silenten Zöliakie sind den Patienten keine Beschwerden bewusst, die Erkrankung wird anhand der Antikörper zufällig entdeckt. Aber auch bei diesen Patienten bessern sich oft die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nach Beginn einer glutenfreien Ernährung.
Bei der latenten Zöliakie sind die serologischen Marker positiv, die Darmbiopsie bleibt jedoch unauffällig. Bei Patienten mit latenter Zöliakie können sich im Dünndarm manifeste Schäden entwickeln, wenn sie sich nicht glutenfrei ernähren.
Tight Junctions bei Zöliakie-Patienten
Die Tight Junctions legen sich wie Klettbänder um jede einzelne Epithelzelle und dichten das darunterliegende Gewebe vom Inhalt des Darmlumens ab. Auf bestimmte Reize hin öffnen sich die Tight Junctions selektiv, um zum Beispiel Nährstoffe aufzunehmen oder Immunzellen passieren zu lassen.
Bei Zöliakie-Patienten sind die Bänder aus interzellulären Haftkomplexen unterbrochen und die Haftung ist vermindert. Wissenschaftler haben bei den Patienten einen Anstieg des Signalmoleküls Zonulin beobachtet.(3) Zonulin erhöht die Durchlässigkeit der Tight Junctions und damit des Darm-Epithels insgesamt.
Eine glutenfreie Diät verbesserte den Zustand der Tight-Junctions bei den Betroffenen und verringerte damit die Durchlässigkeit.
Was kreuze ich an?
Auf unserem Auftragsformular "Gesetzliche Krankenkassen" auf der 1. Seite, rechte Spalte und auf den Auftragsformularen für privatversicherte Patienten und für selbstzahlende, gesetzlich versicherte Patienten auf der 2. Seite, rechte Spalte, finden Sie die Zöliakie-Diagnostik aus Stuhl unter den Ziffern:
- f1 Zöliakie - Komplettanforderung
- f2 Anti-Gliadin Antikörper
- f3 Anti-Transglutaminase Antikörper
Die Zöliakie-Diagnostik aus Blut finden Sie auf der 2. bzw. 3. Seite, rechte Spalte, unter den Ziffern:
- f11 Zöliakie - Komplettanforderung
- f12 Anti-Gliadin Antikörper
- f13 Anti-Transglutaminase Antikörper
Den Nachweis der Weizensensitivität können Sie auf Seite 3 der Auftragsformulare für privatversicherte Patienten und für selbstzahlende, gesetzlich versicherte Patienten anfordern unter der Ziffer:
- f15 Weizenkeim-Agglutinin-IgG
Haben Sie noch Fragen? Unter unseren Hotline-Nummern beantworten wir sie gerne.
Hinweise zur Probenentnahme
Zur richtigen Entnahme von Stuhlproben
Für die Zöliakiediagnostik im Blut werden 2 ml Serum benötigt. Probe bis zum Versand im Kühlschrank bei 4-8°C lagern.
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Literatur
1) Rostom A, Dube C, Cranney A, et al.: Celiac Disease. Evidence Report/Technology Assessment No. 104. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2004.
2) Mustalahti K, Catassi C, Reunanen A, et al.: The prevalence of celiac disease in Europe: results of a centralized, international mass screening project. Ann Med 2010; 42: 587–95.
3) Trovato, C.M. et al., 2021: COVID-19 and celiac disease: A pathogenetic hypothesis for a celiac outbreak. Int J Clin Pract. 75(9):e14452. doi: 10.1111/ijcp.14452.